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"Starliner"-Flug erneut verschoben: Ein Raumschiff, das seit Jahren nicht abhebt

Neuerlich ist es Nasa und Boeing nicht gelungen, den "Starliner" bemannt in das All zu bekommen. Elon Musk dürfte sich darüber freuen.

Neue Sicherheitsprobleme verzögern den Flug zur ISS.
Neue Sicherheitsprobleme verzögern den Flug zur ISS.

Die Astronauten saßen bereits auf ihren Plätzen. Im Kontrollraum war alles auf Start getrimmt. Und der Administrator der Nasa, Bill Nelson, gab vor Journalistinnen und Journalisten noch zu Protokoll, welch bedeutender Schritt für die Raumfahrt anstehe. Doch dann kam alles anders: Der mit Spannung erwartete Start des ersten bemannten Boeing-"Starliner"-Raumschiffs bzw. dessen Rakete musste am Dienstag mitteleuropäischer Zeit wegen technischer Probleme verschoben werden. Weniger als zwei Stunden vor dem Countdown musste die Nasa den Vorgang abbrechen, da ein Problem mit einem Ventil nicht rechtzeitig behoben werden konnte.

Dass ein Raketenstart kurz vorher abgebrochen wird, ist an sich nichts Besonderes. Um das "Starliner"-Projekt hat ein gescheiterter Versuch aber eine spezielle Außenwirkung. Denn im Grunde wird der Take-off seit Jahren verschoben: Vor fast genau einem Jahrzehnt kündigte der damalige Nasa-Chef Charles Bolden an, ab 2017 mit "Starliner"-Raumschiffen bemannt zur Internationalen Raumstation ISS fliegen zu wollen. Doch dann kam es bei Boeing zu Krisen, Schwierigkeiten und Verzögerungen. Eine Problemserie, die sich mit dem Start am Dienstag in Wohlgefallen hätte auflösen sollen.

Der ursprüngliche Plan: Der "Starliner" sollte mit einer Atlas-V-Rakete vom Kennedy Space Center in Florida starten und zwei Astronauten zur ISS bringen. Barry Wilmore und Suni Williams hätten dann am Mittwoch bei der ISS ankommen und dort rund eine Woche bleiben sollen. Für die Ankunft des "Starliner" war an der ISS der dort angedockte "Crew Dragon" von Elon Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX an eine andere Andockstation umgezogen. Die Firma des Technologiemilliardärs ist Boeings Mitbewerber im Weltraumrennen. Und zumindest Musk & Co. dürfte der gescheiterte Start freuen: Jeder Misserfolg von Boeing erhöht den Marktwert von SpaceX.

Wie lange es dauern wird, alle "Starliner"-Probleme zu beheben, war zunächst unklar. Immerhin wurde im Laufe des Dienstags verkündet, dass man am Freitag US-amerikanischer Zeit einen neuen Startversuch wagen könnte.

Dass der Start zeitnahe glückt, ist zum einen für die US-Raumfahrt von elementarer Bedeutung: Der "Starliner" ist ein teilweise wiederverwendbares Raumfahrzeug, das bis zu sieben Besatzungsmitglieder befördern kann. Im Unterschied zum "Crew Dragon" landet er nicht auf dem Wasser, sondern auf der Erde. Mit einem funktionierenden "Starliner" würden die Optionen der Nasa also deutlich größer.

Zum anderen ist der Start für Boeing ausnehmend wichtig: Denn das US-Unternehmen kämpft seit Monaten mit Problemen in der kommerziellen Luftfahrt - und wird nun von den US-Behörden auf Herz und Nieren geprüft. Mit dem "Starliner"-Start wollte Boeing ein Zeichen setzen. Der gescheiterte Versuch brachte das Gegenteil, quittiert mit einem Aktien-Minus.

Ein Makel bleibt aber auch, sollte der Start doch noch gelingen: Um das "Starliner"-Programm zu retten, wurden die veranschlagten Kosten bisher um mehr als 1,5 Milliarden Dollar überschritten.

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